Was ist in deinem Lebenshaus zerbrochen? Was willst du an Neuem aufbauen?

Die Zerstörung des Tempels von Jerusalem und die babylonische Gefangenschaft mitsamt des Verlusts der Bundeslade hat im Volk Israel eine dauerhafte Wunde hinterlassen.
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Von jetzt auf gleich ist alles anders

„Auf einmal war alles anders!“ – Vielleicht kennst du diese Erfahrung bereits aus deinem Leben. Es kann sein, dass ein Lebenstraum zerplatzt ist oder dein Lebenshaus an Hoffnung, Zuversicht oder auch Glaube wie ein Kartenhaus zerfallen ist. Zuvor hatte doch noch alles wunderbar stabil gehalten. Die Pfeiler waren doch nach eigener Ansicht stabil und fundiert. Und doch sind sie so ins Wanken gekommen, dass sie zerfallen sind. Da ist egal, dass das nicht nur an den eigenen Fehlern liegt, sondern dass eine große Schar Anderer noch deutlich dazu beigetragen haben.

Die Erfahrung des Volkes Israel: brachiale Zerstörung

„Auf einmal war alles anders.“ – Diese Erfahrung muss auch das Volk Israel machen. In der Lesung aus dem zweiten Buch der Chroniken (2 Chr 36,14-16.19-23) wird von einer brachialen Zerstörungsgeschichte berichtet. Auch, wenn das Volk Israel in der Darstellung des Propheten einen großen eigenen Beitrag dazu leistet, dass der Zerfall das Ergebnis ist, mit einer solch großen Katastrophe hatte niemand gerechnet.

Denn es hatte doch eigentlich alles gut begonnen. Nach der Wüstenzeit, in der Gott in der Feuersäule mit dem Volk unterwegs war, und noch mehr in der tragbahren Bundeslade, die ihren festen Platz im Salomonischen Tempel gefunden hatte, fühlte sich das Volk sicher. Die dauerhafte Gegenwart Gottes im Tempel war für sie der Garant für dauerhafte Stabilität und gab daher Sicherheit. Sicherlich, zahlreiche Propheten hatten angemahnt: „Leute, so geht es nicht weiter. Die Zustände rund um den Tempel sind unterträglich. Ihr müsst euch bekehren, umkehren und euer Leben ändern. Sonst zerfällt hier alles, auch die feste Zusage, dass Gott hier dauerhaft in unserer Mitte sein wird.“ Doch man wollte ihnen nicht zuhören. Das klassische Prophetenschicksal. „Lass sie nur reden. Sie sprechen doch eigentlich immer nur von Untergang und Katastrophen.“, dachten sich die Leute. Doch als es dann soweit war, waren alle sprachlos.

Vom Glanz zum Trümmerhaufen

In großen Mühen und in einer Blütezeit hatte König Salomo für den Gott Israels einen Tempel gebaut, in dessen Mitte die Bundeslade ihren Platz erhielt. Im Baubericht (1 Kön 5,15–6,38) wird deutlich, wie viel Kraftanstrengungen in dieses geistliche Zentrum Israels geflossen sind. Mühsam wurde Stein auf Stein gesetzt, um Gott ein gebührendes Haus zu bauen. Wahrlich ein Tempel, dessen Glanz weit ins Reich und darüber hinaus gestrahlt hat. Natürlich gab es deshalb auch große Augen eines Anderen, der allein seinen eigenen Glanz im Blick hatte: Nebukadnezar II.. Für ihn ist klar: kein Stein wird auf dem anderen bleiben. Und so geht er ans Werk.

Die Lesung aus den Chroniken beschreibt brachiale Gewalt, mit der die Chaldäer bei der Eroberung Jerusalems 587/586 v Chr. vorgehen. Der Tempel wird in Brand gesteckt und die Mauern niedergerissen. Die Paläste stehen in Flammen und alle wertvollen Geräte werden zerstört oder mitgenommen. Ein Gemetzel in der Stadt fordert zahllose Opfer. Und jene, die übrig bleiben, werden von Nebukadnezar in die Verbannung nach Babel geschickt. Dort beginnt für die jüdische Gemeinde die babylonische Gefangenschaft. Eine Zeit, in der sie auf den Trümmerhaufen in der Heimat nachdenken.

„An den Strömen von Babel, da saßen wir und weinten, wenn wir Zions gedachten.“

Eine Trauerzeit ist für das Volk Israel die babylonische Gefangenschaft. Zugleich ist sie eine Zeit der eigenen Reflexion in der Frage, ob Gott auch in den Krisen mit seinem Volk unterwegs ist. Denn zu Beginn ist die Frage verständlich, die das Volk beschäftigt: „Warum nur, Gott, hast du zugelassen, dass all dieses Leid geschehen ist?“

Und wie die Geschichte aufzeigt, gibt es im Volk Israel noch weitere Zeiten, in denen Erprobungen und und unsägliches Leid durchzustehen sind.

Stehaufmännchen oder „Kopf-in-den-Sand-Manier“?

Ich weiß nicht, ob du opernbegeistert bist. In der Oper „Nabucco“ von Giuseppi Verdi wird in künstlerischer Form jene Geschichte des Volkes Israel in der Gefangenschaft thematisiert. Ein Volk, das nach einer Zeit der Krise nicht in der „Kopf-in-den-Sand-Manier“ steckenbleibt, sondern wahrlich in Stehaufmanier sich zur Freiheit durchkämpft.

Eindrücklich ist der Gefangenenchor dieser Oper, in der Leid und Zuversicht zugleich melodisch hörbar werden. Doch auch der Größenwahn des und die eigene Selbstüberschätzung des Titelhelden Nabucco kommen zum Klang. Denn Nebukadnezar II. ist darauf aus, sich selbst zu Gott zu machen. Erst durch seine eigene Bekehrung zum Gott der Hebräer erlöst ihn von seinem eigenen Wahnsinn. Sein eigenes Ich muss zerfallen, auf dass er von Gott selbst neu aufgebaut werden kann.

Was hat das alles mit meinem Leben und dem Glauben zu tun?

In diesen Tagen in der Mitte der Fastenzeit stimmen wir uns ein auf die Botschaft, die Jesus seinen Zeitzeugen mitgeben hat. Er spricht von einer Zerstörung des Tempels, die aber nicht dauerhaft sein wird. Denn auch wenn er niedergerissen wird, wird er in drei Tagen wieder aufgebaut werden. Die Menschen um Jesus herum sind natürlich außer sich und spotten: „Einen steinernen Tempel, an dem man so lange gebaut hat, kann man nicht in ein paar Tagen wiedererrichten!“ Doch wie so oft verstehen sie Jesus falsch. Er spricht von keinem steinernen Tempel, sondern von einem aus Fleisch und Blut. Aus Mark und Knochen. Er spricht von sich selbst, wenn er am Kreuz dahingemetzelt wird, ins Grab gelegt wird und am Ostertag im Licht des Lebens erstrahlt, wovon das johanneische Evangelium (Joh 3,14-21) dieses Sonntags Laetare spricht.

Ja, wir dürfen uns freuen an diesem Sonntag, in dem die Freude im Verb „laetare“ steckt. Denn Jesus für Jesus ist klar: Auch wenn der irdische Leib eines Tages zerfällt, so wird ein neuer Leib entstehen kraft der Auferstehung.

Die Frage hier ist: Glaubst du, dass Gott eine Macht hat, die unsere Vorstellungen übersteigt? Ein Gott, der nicht tote Steine wieder aufeinanderstapeln will, sondern, der sich lebendige Steine als sein Volk Gottes erwählt hat.

Glaubst du, dass er auch dich in den Krisen deines Lebens schon im Hier und Heute auferbaut? Dann, wenn dein Lebenshaus zerfallen ist? Wenn Träume geplatzt, das Lebenshaus ins Wanken geraten und gar zerfallen ist? Ja, was ist in deinem Lebenshaus zerbrochen? Und was willst du an Neuem aufbauen?

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