erwartungsvolle Haltung an der verschlossenen Pforte
Am Heiligen Abend stehen viele Kinder in erwartungsvoller Hoffnung vor geschlossenen Türen. Sie warten darauf, dass sich die Pforte in die gute Stube öffnet und der besondere Zauber der Weihnacht für sie erfahrbar wird. Vorher ist diese Erwartung über die Zeit des Advents langsam, aber sicher, angewachsen. Dazu beigetragen haben das tägliche Öffnen der Türen oder Säcklein des Adventskalenders und das sonntägliche Entzünden der nächsten Kerze am Adventskranz. „Mama, Papa, ich kann es kaum erwarten!“ – lautet ein Satz, der den Kindern in dieser hoffnungsvollen Zeit des Öfteren über die Lippen kommt.
Am Heiligen Abend ist diese Spannung dann an ihrem Höchstpunkt angelangt. Fast kann schon ein Knistern in der Luft wahrgenommen werden, wenn alle vor der Tür zur guten Stube stehen und darauf warten, dass sich diese Pforte für sie öffnet. Und dann: welche Freude kommt auf, wenn das Glöcklein erklingt, die Tür aufgesperrt wird und alle Beteiligten mit glänzenden Augen in die Stube eingehen können – die Kinder in Erwartung und Freude über den Glanz der Weihnacht und die Geschenke und die Eltern im Glück, ihre Kinder fröhlich zu sehen. Es ist für alle Beteiligten ein Eingehen in eine andere Welt. So, als ob mit dem Schlüssel eine ganz andere Dimension aufgeschlossen wurde.
Pforten öffnen sich zur positiven Veränderung
Immer, wenn sich Pforten öffnen, tut sich innere Freude auf, die auch nach außen sichtbar wird. Für viele noch in lebendiger Erinnerung: Der Moment, als die Mauer gefallen war und Deutschland zur Wiedervereinigung gekommen war. Welch eine besondere Stimmung war da den Menschen anzumerken und auch in den Augen zu sehen, als sie nach vielen ungewissen Jahren durch die Pforte der ehemaligen Grenze und durch das Brandenburger Tor gehen und in die Arme ihrer Lieben fallen konnten!
Ähnliche Momente können dort erlebt werden, wo Menschen Zuwendung finden und etwas Besonderes erleben. Der magische Moment etwa, wenn werdende Eltern erleben dürfen, dass ihr Kind das Tor zur Welt passiert und sie ihr Liebes zum ersten Mal in den Armen halten dürfen.
Wenn die Pforte der Intensivstation aufgeht und der Arzt den Angehörigen mitteilt: Ihr Angehöriger hat es geschafft! Er wird durchkommen.
Als ich Seminarist in Würzburg war, bin ich täglich an einer besonderen Pforte vorbeigekommen. Es war die Pforte zur Elisabethenstube. Dies ist eine Essensausgabe. Vor der Pforte haben sich zahlreiche obdachlose oder sozial abgehängte Menschen versammelt und waren vor der Türe dieser Hilfsorganisation erwartungsvoll versammelt – in der Hoffnung, dass sich ihnen diese Pforte öffnet und sie eine leckere Stärkung aus der Küche der Erlöserschwestern erhielten. Ähnliches kann in vielen Beratungsstellen erlebt werden. Menschen passieren die Pforten zu Hilfseinrichtungen und gehen durch die konkrete Hilfe, durch Zuwendung, ein klärendes Gespräch oder ein Mut machendes Wort verändert nach draußen.
Pforten erschließen eine neue Dimension
Liebe Schwestern und Brüder in weihnachtlicher Freude versammelt! Pforten erschließen uns eine neue Dimension. Sie führen uns vom Alltag über die verändernde Schwelle hin zu einer neuen Erfahrung. Mag sein, dass daher zahlreiche Pforten kunstvoll und prächtig gestaltet, verziert und geschmiedet sind, damit wir verstehen, dass wir nun an einen anderen, ja besonderen Ort gelangen und daher diese Schwelle bewusst passieren sollen. Ihr könnt besondere Pforten sehen, wenn ihr in Würzburg das Oeggtor zur Residenz passiert. Oder vielleicht habt ihr schon einmal das spätgotische Holstentor zur Stadt Lübeck durchschritten oder seid durch den Arc de Triomphe in Paris gefahren. Es sind besondere Pforten, die an einen anderen Ort führen wollen. Selbst die Natur scheint uns immer wieder einmal ein Tor zu einer anderen Welt öffnen zu wollen, wie es etwa bei den Steintoren der Algarve in Portugal bestaunt werden kann. Für manche Menschen sind diese ausgespülten Felsen einer Kathedrale gleich, die einen Blick in eine andere Dimension ermöglicht.
Die schöne Pforte als Eingangsportal zu einer neuen Welt
Im Neuen Testament gibt es eine Stelle, in der ein Gelähmter vor der schönen Pforte am Tempel liegt – in der Hoffnung, durch das aufwallende Wasser der Tempelquelle geheilt zu werden, um dann die schöne Pforte zum prächtigen Tempel durchschreiten zu können. Und er wird es auch tun können, weil ihm Petrus und Johannes im Namen Jesu des Nazoräers zusprechen: „Steh auf und geh umher!“ Daraufhin kann er es, tanzt und springt umher, weil er die innerliche Pforte des Unglaubens, des Nicht-Vertrauens und der Hoffnungslosigkeit hinter sich lässt und eingeht in eine neue Dimension, in der ihm das vollkommene Leben, neue Hoffnung und Zuversicht erwarten.
bewusstes Durchschreiten der schönen Pforte
Aus diesem wunderbar schönen Text sind zahlreiche schöne Pforten entstanden, so etwa in meiner Geburtsstadt Bamberg die „schöne Pforte“, die man passiert, um in die wunderbare Kulisse des Fachwerks der Alten Hofhaltung zu gelangen. Und gleich nebenan am Bamberger Dom kann zu besonderen Ereignissen wie der Christkönigsprozession das Fürstenportal durchschreitet werden. Es ist ein kunstvoller Eingang mit Darstellung des Jüngsten Gerichts und zahlreichen Prophetengestalten, Aposteln und Engeln. Dem Durchschreitenden soll damit bewusst werden: Passierst du das Eingangstor, ziehst du ein in einen ganz anderen Ort. In einen Raum, in dem dir der Himmel offen steht. Also bereite dich darauf bewusst vor. Und bereite dein Herz, damit dir dies möglich wird. Ähnliches war und wird den Pilgerinnen und Pilgern und allen Gläubigen bewusst, wenn sie die Adamspforte oder die Gnadenpforte durchschritten haben oder durchschreiten.
Wir Menschen brauchen solche sichtbaren Pforten, damit wir es verstehen: Nun kann und soll sich etwas in mir tief drinnen verändern. Deswegen gibt es auch die klassischen Beichtstühle mit ihren Türen, damit dem Beichtenden klar wird: jetzt betrittst du einen anderen Ort und wenn du ihn verlässt, hast du die Pforte der Barmherzigkeit Gottes durchschritten.
Die heilige Pforte
Eine besondere Pforte wird an diesem Tag geöffnet. Sichtbar ist sie im Petersdom in Rom, wenn Papst Franziskus in der Christmette die Heilige Pforte für das Heilige Jahr 2025 öffnet. Er eröffnet damit jenes Gnadenjahr, das in alter Tradition nur zu besonderen Jahren geöffnet wird. In der Bibel ist es das sogenannte Jubeljahr, das alle 50 Jahre ausgerufen werden sollte und mit besonderer Freude und zahlreichem Jubel begangen wurde. Es wurde als Gelegenheit gesehen, die eigene Beziehung zu Gott zu erneuern und das eigene Leben einmal wahrlich einem Glaubens-TÜV zu unterziehen.
Heute findet die Tradition des Heiligen Jahres regulär alle 25 Jahre statt.
Ja, das Heilige Jahr 2000 ist also auch schon eine ganze Zeit lang volljährig geworden. Daneben gab es zuletzt ein außerordentliches Jubeljahr im Jahr der Barmherzigkeit 2015.
Solche Jubeljahre mit Durchschreiten der Heiligen Pforte wollen helfen, den Glauben zu intensivieren, eine innere Veränderung zu erzielen und beim Durchschreiten der sichtbaren Heiligen Pforte auch der eigenen, inneren Veränderung nachzuspüren. Daher bieten wir in unserem Pastoralen Raum Ochsenfurt auch im September diesen Jahres eine Pilgerfahrt nach Rom an, um Menschen auf der Suche oder Erneuerung ihres Glaubens eine gute Möglichkeit dazu zu geben.
Gott durchschreitet die Pforte zu uns für uns!
Liebe Schwestern und Brüder im Herrn! Heute feiern wir den heiligen Abend und passieren auch hier eine heilige Pforte. Maria und Josef hatten sich auf den Weg gemacht. Viele Pforten der Herbergen blieben ihnen verschlossen. Einzig die Stallpforte tat sich ihnen auf. Hier, in diesen einfachsten Verhältnissen passiert der große Gott in Jesus, dem kleinen Kind von Bethlehem, die Pforte zu uns Menschen. Er passiert diese Grenze vom Himmelreich zu uns Menschen, weil er uns Rettung bringen will. Weil er gemerkt hat, dass wir Menschen so oft unsere Herzenspforte für ihn verschließen und er nur durchkommen kann, wenn er von sich aus die Pforte aufschließt und uns so den Durchgang zu ihm ermöglicht.
In den wunderbaren Weihnachtsliedern wird dieses Geheimnis kunstvoll besungen. So heißt es etwa im Lied „Lobt Gott, ihr Christen alle gleich“ in der ersten Strophe:
Lobt Gott, ihr Christen alle gleich, in seinem höchsten Thron, der heut schließt auf sein Himmelreich und schenkt uns seinen Sohn.
Und was das bewirken soll, können wir im Lied „Jauchzet, ihr Himmel“ erfahren und besingen, wenn es heißt:
Gott ist im Fleische. Wer kann dies Geheimnis verstehen? Hier ist die Pforte des Lebens nun offen zu sehen.
Gehet hinein, eins mit dem Kinde zu sein, die ihr zum Vater wollt gehen.
Du musst dich also darauf einlassen und deine Herzenstür für Gott öffnen.
Eine wunderbare Wackelkarte, von der ich leider nur noch den Restbestand erhalten konnte, zeigt diesen Vorgang wunderbar.
Zu sehen ist eine kunstvoll verzierte Holztür mit schönen Ornamenten, auf der auf der einen Seite der Tür steht: „Damit niemand mehr vor verschlossener Tür stehen muss“ Und wackelt man mit der Karte etwas, öffnet sich die Tür und man kann lesen: „öffnet Gott uns die Tür zum Himmel.“
Wir Menschen brauchen Pforten-Erlebnisse, um uns für Gott zu öffnen.
Liebe Schwestern und Brüder im Herrn! Wir brauchen besondere Pforten-Erlebnisse. Ob die Sichtbaren, durch die wir gelangen können, um es wirklich auch zu begreifen. Und besonders jene, die gespürt werden wollen. An diesem heiligen Abend hast Du wieder die besondere Chance, deine Herzenstür für Gott zu öffnen. Gott öffnet dir die Pforte zu sich, wenn du das Schlüsselwort benutzt, das uns Maria in der Begegnung mit dem Engel, dem Boten Gottes, einprägsam gelehrt hat: „Ja“. Und sie ergänzt: „Mir geschehe nach deinem Wort.“
Mag sich erfüllen, was wir im Advent im vorbereitenden Lied „Macht hoch die Tür“ in der letzten Strophe besungen haben:
Komm, o mein Heiland Jesu Christ, meins Herzens Tür dir offen ist. Ach zieh mit deiner Gnade ein; Dein Freundlichkeit auch uns erschein. Dein Heilger Geist uns führ und leit den Weg zur ewgen Seligkeit. Dem Namen dein, o Herr, sei ewig Preis und Ehr.
Lass dich ein und öffne dich für das Geheimnis der Menschwerdung Gottes. Öffne dich für Gott, der durch deine Pforte zu dir kommen will, wenn du ihm sagst: „Ja, Herr, komm zu mir!“
Amen.
Fröhliche, gesegnete Weihnachten!