Anstelle einer eigenen Predigt zum Karfreitag, habe ich für dieses Jahr Gedanken zur Passionsgeschichte verfasst, welche die Aktualität des Geschehens in den Blick nehmen will.

Steinreihe 1 nach der Verhaftung
Die erste Steinreihe der Mauer, die wir aufbauen, ist die der Ablehnung. Judas, die Soldaten und die Gerichtsdiener des Hohepriesters kommen mit der angeblichen Suche nach Jesus. Es ist aber keine Suche nach dem wahren Weg, denn der würde sie zum Glauben an Jesus führen, der der Weg, die Wahrheit und das Leben ist. Sie bauen sich eine innere Mauer auf, weil sie nicht wahrhaben wollen, dass Gottes Sohn vor ihnen steht. Sie wollen nicht glauben, weil sie sonst ihr Leben radikal ändern müssten.
Petrus lehnt sich bei der Auslieferung noch auf, doch in ihm kommt eine Mauer auf, die später sichtbar wird: die des Verrates.
Diese Mauer kennen wir auch in unserem eigenen Leben. Wenn es brenzlig wird, verschließen wir uns. Wir halten uns raus, auch wenn wir deutlich etwas zu sagen hätten. Die erste Steinreihe gilt auch uns, wenn wir unseren Glauben ablehnen. Wenn wir Nein zu Jesus sagen, wenn es öffentlich angebracht wäre.
Steinreihe 2 nach dem Verrat
Nun ist es geschehen. Petrus` innere Mauer ist sichtbar geworden. Dreimal leugnet er, dass er zu Jesus gehört. Dreimal verleugnet er seinen Glauben. Dreimal verleugnet er seinen Herren.
Die zweite Steinreihe ist die der öffentlichen Verleugnung. Nicht selten sagen in unseren Tagen junge Menschen nichts zu ihrem Glauben, wenn Freunde sie diesbezüglich fragen. Erwachsene halten am Arbeitsplatz den Mund, wenn über Glaube, Kirche und Jesus gesprochen wird. Selbst in Familien gilt das Sprechen über den Glauben manchmal als Tabu.
Während Christen weltweit große Gefahren, Qualen und gar den Tod fürchten müssen, um ihren Glauben zu leben, verschließen wir in unseren Breitengraden oft den Mund aufgrund dieser Schrecken. Wir wollen nichts damit zu tun haben. Die zweite Steinreihe zeigt uns daher unseren eigenen Verrat an Jesus an.
Steinreihe 3 nach der Auslieferung
Jesus selbst wird zum Sündenbock – ausgeliefert, verspottet, hingerichtet. Ein anderer kommt frei, auch wenn er so einiges auf dem Kerbholz hat. Doch die öffentliche Meinung hat gesiegt. Gegen wen deutlich Stimmung gemacht wird, der wird auch heute öffentlich an den Pranger gestellt und öffentlich ausgeliefert. Schnell kann die öffentliche Meinung Menschen zu Fall bringen, weil sie einer einflussreichen Gruppe in den Medien oder in führenden Kreisen der Gesellschaft nicht passen. Dieser Mechanismus, der Jesus ans Kreuz führt, gilt auch heute noch.
Die dritte Steinreihe steht dafür, wenn wir mit einstimmen, wo andere gegen Andere Stimmung machen. Wenn wir andere an den öffentlichen Pranger stellen und somit zur Verurteilung ausliefern. So, wie Jesus ausgeliefert wird, weil sich die führende Gruppe mit ihrer Meinungsmache durchsetzt. Jesus führt dieser Vorgang zum Kreuz und zum Tod.
Figur des Verurteilten wird auf die Mauer gestellt
Jesus steht auf der Mauer – zu sehen mit all dem, was er durchgemacht hat. Auf dem Kopf die Dornenkrone, die sich in den Kopf rammt und das Haupt mit Blut überströmt. Der rote Mantel, mit dem er verhöhnt wird, weil er behauptet hat, ein König zu sein. Die gebundenen Hände, weil er nichts mehr tun kann, sondern alles in Gottes Hand übergeben hat. Die Wunden an seinen Körper, aus denen sein Blut strömt, das er den Seinen anvertraut.
Jesus steht auf der Mauer. Gleich wird er noch weiter erhöht werden – von den Menschen und von Gott.
Von den Menschen wird er ans Kreuz gehängt. Ans Schandzeichen, an den Marterpfahl. Doch nach seinem Tod wird sich ein Riss zeigen. Die Erde bebt, der Tempelvorhang zerreißt. Mit ihm alle Mechanismen, alle Mauern, die sich zuvor aufgetan hatten. Und er wird von Gott erhöht werden. Dann feiern wir Ostern.