Adventspredigt zum 4. Adventssonntag
Glaubst du an Verheißung?
Kannst du darauf vertrauen, dass sich etwas erfüllt, was dir schon ins Stammbuch geschrieben ist?
Kannst du dich darauf einlassen, dass sich etwas durch dich erfüllt, weil nur du dafür vorgesehen bist und nur du die Fähigkeiten für die Erfüllung bekommen hast?
Verheißung als Grundlage von Filmen und auch der Texte des heutigen Sonntags
In vielen Filmen geht es darum, dass der Mensch seine Bestimmung finden soll. Manchmal muss der Darsteller gar auf spektakuläre Weise Krisen und Herausforderungen meistern, um dann zu sich selbst und seiner Berufung zu finden. Auch die Schrifttexte des heutigen vierten Adventssonntages gehen davon aus, dass uns Menschen eine besondere Verheißung zuteil wird. Ja, dass jeder Mensch seiner Verheißung folgen und sie erfüllen soll. Begeben wir uns daher auf den Weg der Verheißung, der uns als Startpunkt zu den Schrifttexten führen wird und uns schließlich als Ziel bei uns ganz persönlich ankommen lässt.
Verheißung kann mit einer Krise beginnen
Am Startpunkt sind wir in eine Zeit hineingenommen, in der der Glaube an eine verheißungsvolle Zukunft geschwunden war. Vorausgegangen war eine Krisenzeit derer, die für das Volk Verantwortung übernommen haben und sie in eine glückliche, verheißungsvolle Zukunft führen sollten: die Könige des Hauses David. Der Prophet Micha, von dem wir in der ersten Lesung gehört haben, sieht, wie die zahlreichen Könige aus diesem Haus gescheitert sind. Anstelle das Volk in glänzende Zeiten zu führen, haben sie das Volk in immer neue Katastrophen geführt. Die Korruption war gestiegen. Ebenso waren es die Lebenshaltungskosten. Und Stabilität im Land war gesunken, ja es drohte vielmehr immer mehr Gefahr von innen und außen. Kommt uns das nicht auch bei uns bekannt vor? Ein schrecklicher Krieg stand dem Volk bevor, wenn auch erst lange Zeit nach der Ankündigung des Propheten Micha. Es waren die Assyrer und schließlich die Babylonier, die das Volk in Angst und Schrecken, Krieg und Untergang gestürzt haben. Micha kündet all das an und weiß, dass er sich damit beim König und bei der führenden Bevölkerung nicht beliebt macht. Vielmehr droht er ihnen gar und sieht ihre Herrschaftseliten dem Untergang nahe. Als sozialer Prophet verheißt er nicht den Großgrundbesitzern eine gute Zukunft, sondern den Kleinbauern.
Unheilsprophet oder doch Prophet der Verheißung?
Der unheilvolle Ausblick auf das, was für die Herrscher kommen wird, gipfelt im dritten Kapitel, also dem Vorgängerkapitel der heutigen Lesung. Dort spricht Micha:
Darum wird um euretwegen Zion zum Acker, den man umpflügt. Jerusalem wird zu einem Trümmerhaufen, der Tempelberg zu überwucherten Höhen. (Mi 3,12)
Ja, es gibt Unheilspropheten, die von einer düsteren und schrecklichen Zukunft sprechen müssen. Und das, auch wenn ihnen diese Androhung sicher keine Freude bereitet. Wenn sie lieber eine freudige Botschaft verkünden würden. Doch ändern wir Menschen unsere Verhaltensmuster oft nur, wenn jemand mit einer klaren Ansage kommt.
Zahlreiche Propheten im Alten Testament wollten sich gar vor ihrer Aufgabe als Boten Gottes drücken, wie wir es deutlich beim Propheten Jona deutlich sehen. Er flieht immer weiter vor Gott, bis er es nicht mehr weiter kann und sich seiner göttlichen Verheißung und seinem Auftrag stellen muss.
Nehmen wir, liebe Schwestern und Brüder, in unserer Zeit prophetische Stimmen wahr, die uns die Schrecken vor Augen führen? Die uns drohen, wenn wir unser Denken nicht ändern und unsere Verhaltensweisen wirklich angehen?
Sieht man den Propheten jedoch nur als Unheilspropheten, so versteht man ihn völlig falsch und tut ihm Unrecht. Ja, die Eliten werden untergehen. Die Mächtigen, die ihr Volk knechten, werden beseitigt und sie werden dabei auch von Gott nicht verschont werden, wie es Micha klar ausspricht. Doch der Weg, den Gott mit seinem Volk gehen will, ist damit noch lange nicht an seinem Ziel angelangt. Denn gerade ganz unten angelangt, am Boden der Tatsachen, keimt eine neue Verheißung auf. Ein Spross ist dort zu finden, der sich den Weg bahnen wird. Er kommt aus dem Haus David, wo doch zuvor alle seine Sprosse versagt haben. Dieser Spross sorgt für Frieden, Gerechtigkeit und er wird die Menschen zum Ursprungsplan der göttlichen Verheißung zurückholen. Davon ist sich Micha sicher und das verkündet er als große Verheißung, die dem Volk Israel zuteil werden soll. So haben wir auch im Lied „O Bethlehem, du kleine Stadt“ gesungen, als es in der ersten Strophe hieß:
O Bethlehem, du kleine Stadt, wie stille liegst du hier, du schläfst, und goldne Sternelein ziehn leise über dir. Doch in den dunklen Gassen, das ewge Licht heut scheint für alle, die da traurig sind und die zuvor geweint
Ein neuer Spross, der die Verheißung erfüllen wird, keimt auf
Dieser Spross wird für Micha später einmal Jesus sein, wir wir es verheißungsvoll im Matthäusevangelium hören werden. Denn der Evangelist Matthäus greift auf die verheißungsvollen Texte des Propheten Micha zurück. Er nimmt die große Verheißung als Grundlage, welche die Sterndeuter erkennen und der sie dann auch folgen, um so zum Kind in der Krippe zu gelangen. Sie sind es, die in diesem kleinen Kind den Sprössling entdecken, von dem Micha heute in der Lesung kündet. Er wird aus dem einfachen Haus Bethlehem-Efrata, dem kleinsten unter den Stämmen Judas, stammen und somit aus der davidischen Königslinie. Er ist der König der Juden, der die Herrscher seiner Zeit, allen voran König Herodes, erzittern lässt. Diese große Verheißung ist Jesus ins Stammbuch geschrieben. Eine Verheißung, die freudig verbreitet werden mag und die ins Land gebracht werden soll. Daher macht sich Maria im Evangelium auf den Weg durch das hügelige Bergland. Gerade von den örtlichen Begebenheiten ausgehend, mag das auch davon sprechen, dass es bis zur Erfüllung der Verheißung eine Reise mit Aufs und Abs sein wird. Eine Reise mit Höhenflügen und tiefen Stürzen.
Die Verheißung erfüllt die, die schon nicht mehr damit rechnen
Spannend am Evangelium dieses heutigen vierten Adventssonntages ist wohl auf jeden Fall, dass zwei Frauen, die an eine große Verheißung nicht mehr geglaubt haben, nun die gemeinsame Verheißung preisen. Denn weder Elisabeth als Hochbetagte hatte es mehr geglaubt, ein Kind erwarten zu dürfen. Und wie wir von der Begegnung Marias mit dem Engel wissen, hat Maria die Verheißung, die ihr der göttliche Bote überbringt, auch ersteinmal verdauen müssen. Doch beide Frauen glauben schließlich an die Verheißung, lassen sich auf sie ein und verhelfen ihr so, sich zu verbreiten.
Johannes, der Sohn von Elisabeth und Zacharias wird den Weg bereiten. Er wird also wie es Micha ankündigt, sich ans Werk machen, um den Acker umzugraben. Es ist seine deutliche Kritik an König Herodes, die ihn später sprichwörtlich den Kopf kostet. Und als stete Mahnung an die Leute, sich ans Werk zu machen und umzukehren, damit der kommen darf, der unter ihnen schon am aufkeimen ist, wird seine Botschaft sein: Jesus, der göttliche Spross – er keimt auf – mitten unter uns. Ihm bereitet er den Weg und möchte mithelfen, dass sich seine Verheißung erfüllen kann.
Liebe Schwestern und Brüder im Glauben, Verheißungen haben ihren Ursprung in der Vergangenheit. Aber wie es für den Spross die Zeit des Herankeimens im dunklen Erdreich braucht, um dann sprießen zu können, so braucht auch die Verheißung Zeit, um sich dann erfüllen zu können. Und sie braucht Menschen, die sich zur Verfügung stellen und die mit tatkräftiger Hilfe und klaren Worten zu ihrer Erfüllung und Blüte verhelfen.
Erfüllung der Verheißung geschieht durch Gott. Wir müssen uns Zeit nehmen, um sie zu entdecken
Gott möchte seine Verheißung auch an uns erfüllen. Damit wir selbst herausfinden, welchen Teil wir selbst leisten können, brauchen wir selbst Zeit. Um zu entdecken, was Gott von mir möchte, muss ich tief in mich hineinhören. Dass dies gelingt, braucht es vor allem Stille, die Bereitschaft des innerlichen Hinhörens und ein paar Impulse, die ich beim Lesen der Schrifttexte mitbekommen kann. Es sind stille und geistliche Tage und vor allem das Format der Exerzitien, also bewusster Tage, in denen ich für Gottes Wort empfänglich werde. Ich selbst kann euch daher nur empfehlen, solche Tage in eurer Jahresplanung vorzusehen. Es lohnt sich herauszufinden, welche Verheißung Gott in einem grundgelegt hat. Und es ist spannend, sie in sich heranreifen zu lassen und schließlich zu sehen, wie sie sich im konkreten Tun den Weg bahnt. Ich wünsche dir daher ganz persönlich, dass du dich auf Verheißungen einlassen kannst. Mache dich daher auf den Weg der Verheißung. Ob ganz neu, weil du wie Maria zum ersten Mal sagst: Ja, Gott,ich lasse mich auf deinen Plan ein. Vielleicht bist du ja aber auch schon wie Maria an der anderen Stelle auf dem Weg angelangt und verhilfst der Verheißung zur Erfüllung.
Blick tief hinein in dich und in das, was dir Gott bereits ins Stammbuchgeschrieben hat!