Adventspredigt zum ersten Adventssonntag
Wacht und betet allezeit, damit ihr allem, was geschehen wird, entrinnen und vor dem Menschensohn hintreten könnt. (Lk 21,36)
Dieses Zitat steht am Ende des Evangeliums des ersten Adventssonntages. Mit diesem wachsamen Blick schließt Jesus seine Rede. Es ist deutlich ein mahnender Ausruf Jesu, der für manche am Beginn des Advents gar nicht nicht so stimmungsvoll klingen mag. Er ist vielmehr eine leichte Ernüchterung für alle, die gerade damit beschäftigt sind, alles herauszuputzen und in adventlich-weihnachtlichem Duft, Glanz und Flair erstrahlen zu lassen.
adventliche Ernüchterung
Doch grundsätzlich passt diese Ernüchterung zu dem, was der Advent vom Ursprung und Sinn sein will: eine bewusste, wachende Zeit voller Erwartung. Eine Zeit, in der ich selbst mein Herz und meinen Glauben prüfe und intensiviere, damit ich Jesus mit bereitem Herzen Willkommen heißen kann.
Meine heutige Adventspredigt zum ersten Adventssonntag steht daher unter dem Gedanken „Mit der Haltung der Wachsamkeit sprießt etwas Neues empor“. Diesen möchte ich nun näher entfalten.
dringliche Mahnung zur Wachsamkeit
Man kann sich fragen, warum Jesus im Evangelium des heutigen Tages so dringlich zur Wachsamkeit aufruft. Er spricht von sichtbaren, aber auch rätselhaften Zeichen am Firmament und auf der Erde, die geschehen werden. Und sie versezten die Menschen in Angst. Und es klingt durch, dass die Menschen darauf definitiv nicht vorbereitet waren. Vielmehr bricht das Chaos auf sie herein, wie es schon so oft in der Menschheitsgeschichte geschehen ist. Denn Naturkatastrophen und Wassermassen reißen Menschen plötzlich ins Verderben und spülen die Hoffnung aus ihrer Mitte.
Der Tod fragt nicht freundlich: „Bist du nun endlich bereit?“. Sondern er nimmt dich mit, wenn er meint, dass du bereit bist – ob es dir gefällt oder ob du dir noch einen längeren Atem gewünscht hättest. Entscheidungen, die sich uns als Schrecken zeigen, werden auch von oberen Stellen getroffen, ob es einem passt oder nicht. Ob man für einen anderen Ausgang mutig gekämpft und gebetet hat oder man irgendwann den Kopf in den Sand gesteckt hat. Ja, Schrecken und Katastrophen rauschen immer wieder auf uns zu und nicht selten überrollen sie uns mit voller Wucht. Oft sind wir darauf nicht vorbereitet. Denn selbst dann, wenn wir Warungen erhalten, sagen wir Menschen uns doch immer wieder: „So schlimm wird es doch schon nicht werden.“
Wir verschieben Dinge gerne wie das Testament und die Vollsorgevollmacht, weil wir meinen: „Es wird schon noch eine gute Zeit lang gut gehen.“ Oder wir sagen den verheerenden Satz: „Das mache ich dann einmal, wenn ich wirklich Zeit dafür habe.“
Die Schreckenserfahrung des Volkes Israel: die Zerstörung des Tempels
Auch das Volk Israel macht eine Schreckenserfahrung durch, weshalb der Evangelist Lukas am heutigen Tag Jesus so deutlich sprechen lässt. Denn im Jahr 70 nach Christus fällt der Tempel. Er wird zerstört. Der Garant des Glaubens und der Gegenwart Gottes ist von jetzt auf gleich dahin. Und das jüdische Volk ist am Boden angelangt. Daher wundert nicht, dass Jesus so viel Spott und Hohn zugesprochen wird, als er an einer anderen Stelle davon spricht, sie sollen den Tempel niederreißen und er würde ihn in drei Tagen wieder aufbauen. Es ist eine Botschaft, die selbst seinem engsten Vertrautenkreis erst einmal durch Mark und Bein geht.
Stellen wir uns doch einmal vor, hier bei uns würde einer sagen: „Reißt diese Kartause nieder. In drei Tagen werde ich sie in vollem Glanz wieder aufbauen und zu neuem Glanz führen.“ Wir würden doch genauso blöd guten wie die Leute in Jesu Umfeld. Doch auch wir würden so völlig falsch liegen, weil ja Jesus von etwas ganz anderem spricht. Nämlich von der leibhaften Auferstehung des irdischen Leibes im Reich Gottes.
wachsamer Aufbau an einem ganz anderen Tempel
An diesem Tempel sollen wir aufbauen. Es ist der Tempel unseres Leibes. Es braucht Vertrauen in Gott, dass er diesen neu errichten wird bei ihm. So ist es nötig ihm zu sagen: „Wenn ich auch mit Angst erfüllt bin und ich mir nicht vorstellen kann, wei das genau funktionieren soll, so vertraue ich dir doch von ganzem Herzen. Ich bin wachsam für dich und ich bin bereit, weil du für mich bereit bist.“
Wachsamkeit für unsere Zeit
Wachsamkeit brauchen wir in unserer Zeit dringend. Wir haben politische und gesellschaftliche Strömungen, die uns gerne mit Leichtigkeit in den Abgrund und in zahlreiche Katastrophen stürzen lassen wollen. Es gibt Kräfte in unserer Zeit und Welt, die sich daran ergötzen, wenn sie uns unvorbereitet, nicht wachsam, sondern vielmehr ängstlich erleben. Ihnen müssen wir mit unserer christlichen Hoffnung gegenübertreten. Wir müssen wachsam und betend unterwegs sein.
„es sprießt etwas Neues hervor“
Nun möchte ich aber zuletzt auf den zweiten Teil des Satzes eingehen. Denn diesen Bereich sollen wir als Christen niemals außer Acht lassen. Die Lesung aus dem Buch Jeremia spricht davon so hoffnungsvoll. Sie kündet vom Spross aus der Wurzel Davids, der sich einen Weg durch die Dunkelheit und durch all die Krisen seiner Zeit bahnt. Bekanntlich ist das für uns Jesus, der Spross aus der Wurzel Davids. Er bringt neue Hoffnung. Er beseitigt menschliche Katastrophen und schenkt tiefen Glauben all jenen, die sich ihr Herz wach und bereit gestaltet haben.
Gerne gärtnere ich. So wunderbar ich es finde, dass nach dem Säen sich irgendwann die Pflanzen zeigen und Früchte geerntet werden können, so faszinierend ist festzustellen, dass sich wahrlich ein grüner Spross nach der langen Zeit im dunklen Untergrund einen Weg gen Licht bahnt. Nur mit wachem Blick kann man das sehe nund mitbekommen.
So ungewiss und katastrophenreich unsere Zeiten auch sein mögen, so sehr Krisen und Schicksalsschläge unser Leben durchziehen und uns Ungewissheit plagt, so stecken wir den Kopf nicht in den Sand, sondern höchstens in ein wunderbar bereitetes Erdreich, von dem aus etwas völlig Neues empor sprießen darf.
Nutzen wir also die Zeit des Advent zur Wachsamkeit und zum Gebet. Achten wir genau hin, was in uns entsteht, wenn wir uns täglich wach ahtlen, um Gottes Wort zu hören und zu bedenken – jeden Tag vielleicht ein kleines, bewusstes Wort oder einen Abschnitt. So stimmen wir uns ein in das Geheimnis, das uns an Weihnachten bevorsteht: der göttliche Spross wird aufsprießen und wir dürfen ihm wachsam begegnen.