Angst und Furcht prägt die Jünger
„Sie erschraken und hatten große Angst, denn sie meinten, einen Geist zu sehen.“
Lk 24,37
In dieser Weise werden die Jünger beschrieben, die versammelt sind, um Unglaubliches zu hören. Die beiden Jünger, die auf dem Weg nach Emmaus waren, berichten ihnen von einer unglaublichen Geschichte. Mitten in ihrer Trauer über den, den sie am Kreuz leidvoll haben sterben sehen, begegnet ihnen ein Mann. Er kommt mit ihnen ins Gespräch und hilft ihnen, das Geschehene zu verarbeiten, aber auch schrittweise zu verstehen. Doch nicht die klugen Gedanken, die das Schriftverständnis und die Prophezeiungen über den Messias in den Blick nehmen, führen sie zu einer bahnbrechenden Überzeugung und Erfahrung. Klick macht es bei ihnen bei einer konkreten Tat, nämlich beim Brechen des Brotes. Als sie dies mit diesem für fremd gehaltenen Mann erleben, da geht es ihnen auf: Es ist Jesus. Und er ist nicht mehr der, den sie am Kreuz haben sterben sehen. Es ist wirklich der Auferstandene, der ihnen hier begegnet.
Diese Erfahrung teilen die beiden Jünger mit ihren Mitbrüdern, die nicht mit dabei waren. Die einen haben Zweifel und können nicht glauben, dass das geschehen kann. Die anderen erschrecken, weil sie so etwas nicht für möglich hielten. Und in diese Situation hinein kommt im heutigen Evangelium Jesus selbst. Da bekommen alle Beteiligten große Augen und Furcht, weil sie meinen, nun von allen guten Geistern verlassen zu sein. Denn sie meinen, einen Geist zu sehen. Und Jesus, der Auferstandene, muss ganz viel Überzeugungsarbeit leisten, damit seine engsten Vertrauten glauben können.
Schwund an Hoffnung auf leibhafte Auferstehung
Liebe Schwestern und Brüder, ich weiß nicht, wie es euch mit dem Glauben an die leibhafte Auferstehung der vormals Toten und nun Lebendigen geht. Schon im Jahr 2019 zeigte eine Studie eines Markt- und Sozialforschungsinstituts im Auftrag der Evangelischen Kirche, dass nurmehr 18 Prozent der Befragten der Aussage „Jesus ist leibhaftig von den Toten auferstanden.“ zustimmten.
Die Gründe für diese Haltung scheinen offensichtlich. Menschen unserer Zeit meinen: „Ich glaube nur, was wissenschaftlich messbar ist.“ Es ist der Zugang der Naturwissenschaften: Nur was zu sehen, zu hören, zu messen und zu beweisen ist, gilt als real. Alles andere muss abgelehnt werden, da es nicht bewiesen werden konnte. Größen wie Richard Dawkins und andere moderne Religionskritiker des „New Age“ betonen dieses Mantra.
Wohl in ähnlicher Weise fallen die Jünger in Furcht, da sie den Geist als Erzeugnis ihrer Phantasie und als eine Täuschung halten. Es ist die alte Frage danach, was wissenschaftlich möglich ist und was unwissenschaftlich ist. Diese Skepsis tritt auch in ihr Leben und sie haben Angst, falsch zu liegen. „Wissenschaft oder Glaube“ oder doch „Wissenschaft und Glaube“ – Fragen, die geklärt werden wollen. Für reine Naturwissenschaftler kann nur das Erstgenannte gelten. Wenngleich auffällt, dass gerade viele von ihnen im Laufe der Zeit einen Zugang zum Glauben gefunden haben. So etwa jener:
„Ich möchte wissen, wie Er (gemeint: der Herrgott) sich die Welt gedacht hat.“
Albert Einstein
Ein Kulturchrist
Richard Dawkins vom Team der „neuen Atheisten“ kann laut eigener Schilderung zwar nichts mit christlichen Inhalten anfangen, bezeichnet sich mittlerweile aber als Kulturchrist. Sein langjähriger Mitarbeiter Josh Timonen bekehrte sich vergangenes Jahr und fand zum Glauben.
Ein Beispiel eines Mannes unserer Zeit, der zum Glauben fand
Fasziniert hat mich dieser Tage ein Beispiel eines Mannes, der zum Glauben gefunden hat und der sich in der Osternacht hat taufen lassen. Sein Name ist Riccardo Wagner. Er ist Professor für Nachhaltiges Management & Kommunikation an der Hochschule Fresenius in Köln, Leiter der Media School und Studiendekan, also wahrlich ebenso ein wissenschaftlich kluger Kopf. Er sagte von sich im Blick auf seinen Glaubensweg: „Ich wollte nicht Christ sein. Ich war Atheist.“ Aufgewachsen in der religionsfeindlichen DDR, atheistisch und kirchenfern erzogen, lassen auch ihn die großen Fragen des Menschseins wie „Wer bin ich? Was geschieht nach dem Tod? Wozu bin ich auf diese Erde gekommen?“ nicht los. Daher macht er sich auf zu einem Weg zum Glauben. Auslöser für ihn ist besonders die Geburt seines Sohnes, denn er merkt, dass er auf Fragen Antworten geben muss und dass er ihm ein Weltbild mitgeben möchte. Er spürt als Vater die Notwendigkeit, in einer ständigen Spannung zu stehen. Nämlich ausgerichtet zwischen präsent sein und gleichzeitig verborgen sein, um die Freiheit des Kindes zu ermöglichen. Hier versteht er etwas von dem, wie Gott für uns Menschen ist. So findet er zum Glauben.
Und was antwortet ein solch kluger Professor, der lange Zeit Atheist war, denen, die den Atheismus als Grundform des Menschseins anpreisen möchten? Lassen wir ihn sprechen mit einem Zitat aus einem Interview mit ihm:
Ich bin der Überzeugung, dass wir kulturell an einem Wendepunkt stehen und wir wieder viel stärker über ein integriertes und ganzheitliches Weltbild sprechen müssen, das diesen beschränkten wissenschaftlich-technisch-materialistischen Blick der Moderne entlarvt als eine reduktionistische Lüge. Die Aufklärung bis hin zu den New-Atheists hat uns versprochen, dass wenn wir nur die Religion und Gott hinter uns lassen und uns auf Basis von rationaler, materialistischer Naturwissenschaft, Fortschritt durch Technik und einer vom Markt geleiteten Wirtschaft entwickeln, eine neue Zeit für die Menschen anbrechen wird, mit Frieden, Wohlstand und Glück für alle. Doch diese Erzählung wird immer offensichtlicher brüchig. Klar, wir sind auf gewisse Art hypererfolgreich. Wir haben so viele Dinge wie nie zuvor, wir sind gesünder und besser gebildet wie nie zuvor – aber wir sind nicht glücklicher, nicht friedlicher, nicht geeinter und auch schon gar nicht hoffnungsvoller – ganz im Gegenteil.
Die zwangläufige Entzauberung der Welt und das zwangsläufige Phänomen des Kapitalismus und der Hyperindividualisierung lässt und an den Grundfesten zweifeln, dass unser Leben sinnvoll und notwendig ist, dass wir gewollt und beauftragt sind. Diesen Sinn kann keine Technik, kein Geld und kein Ego geben – sondern letztlich nur Gott und unsere Gemeinschaft und Beziehung mit ihm. Eine Welt, die nicht Gott verehrt, der außerhalb dieser Welt steht, verehrt am Ende irgendetwas in der Welt und dies kann nie unser tiefstes Verlangen stillen.
Riccardo Wagner
Es braucht zum Glauben die Bereitschaft fühlen zu wollen
Es ist also ein besonderes Gefühl, das es braucht, um glauben zu können. Und ich meine, dass uns das heutige Evangelium genau dazu führen möchte. Während die Jünger darüber debattieren, was möglich oder unmöglich ist, also philosophieren und argumentieren, da tritt Jesus selbst bei ihnen ein. Er beantwortet nicht ihre Fragen und tritt vorerst nicht in einen Diskurs ein, sondern er lässt sie spüren. Er sagt ihnen:
Fasst mich doch an und begreift: Kein Geist hat Fleisch und Knochen, wie ihr es bei mir seht.
Lk 24,39c-e
Jesus lässt spüren, er isst mit den Jüngern und dann erklärt er den Sinn der Schriften, nämlich dass der Christus leiden muss. Aber auch, dass er am dritten Tag leibhaft von den Toten auferstehen wird, um den Völkern Umkehr zu verkünden und die Sünden zu vergeben.
Um Auferstehung zu spüren, braucht es das Herz
Liebe Schwestern und Brüder in Christus, diese Osterzeit lädt uns ein, unseren Glauben zu stärken, zu bekräftigen oder gar zu erneuern. Sicherlich, die Botschaft der Auferstehung ist schwer mit unserem Kopf zu begreifen und vermutlich übersteigt sie ihn sogar deutlich.
Mir gefällt in den österlichen Zeugnissen, dass es mehr darum geht, das Herz sprechen zu lassen. Spüre ich etwas im Glauben? Spüre ich, dass mir Jesus nahe ist? Und dafür muss ich mich innerlich öffnen. Ich glaube daher auch, dass es kein Zufall ist, dass die Jünger bei aller Bedrängnis ihrer Zeit sich hinter verschlossenen Türen versammeln. Ich deute es in unserer Zeit auf unsere Gesellschaft, die ihre Herzenstüren für den Glauben verschlossen hat. Doch wie Jesus den Weg aus dem verschlossenen Grab hin zur leibhaften Auferstehung gefunden hat, wie er gar durch die verschlossenen Türen der Jünger einen Weg gefunden hat, so kann er es auch heute bei uns tun.
Alles beginnt mit der Haltung des Wunsches nach Begegnung. Wer den Herrn einlädt: „Komm doch zu mir!“, der wird sicher etwas spüren. Und manchmal lädt sich der Herr selbst ein und findet einen Weg, weil er sich wünscht, dass wir glauben können.
Ja, ich glaube an die leibhafte Auferstehung. Auch wenn sie meinen Verstand übersteigt. Ich glaube, weil ich vertrauen kann. Weil ich Gott mehr zutraue als uns Menschen. Weil ich weiß, dass er einen viel größeren Plan hat als ich. Und weil ich gespürt habe, dass jene, die gegangen sind, mir auf andere Weise nahe waren. Ja, weil ich spüre, wahrnehme, vertraue und glaube. Genau das wünsche ich auch dir.
Der Herr ist wahrhaft auferstanden. Halleluja!
Glaube und vertraue. Halleluja.